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Digital Skills Gap: Der schwere Weg zu digitaler Gleichberechtigung

Digitale Kompetenzen sind in unserer Gesellschaft nicht homogen verteilt. Die neue Studie „Digital Skills Gap 2025“ macht Unterschiede zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sichtbar und zeigt, wie unterschiedlich digitale Kompetenzen ausgeprägt sind. Das ist fatal, denn digitale Teilhabe ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.

Lesezeit: 8 Minuten

alter mann überfordert am laptop

30.10.2025

Der Wert der digitalen Teilhabe

Digitale Teilhabe ist essenziell für eine moderne Gesellschaft. Zentrale Themenfelder wie Inklusion, Medienkompetenz, wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratieschutz und Bildung sind eng mit ihr verknüpft. Der Bund selbst bringt es so auf den Punkt: „Digitale Teilhabe ist gesellschaftliche Teilhabe“. Wer digital schlechter aufgestellt ist, wer weniger Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien hat, wird zurückfallen, wird ultimativ abgehängt. „Einkommen, Wohnsituation, berufliche Stellung – all das prägt maßgeblich, wie gut jemand für die digitale Arbeits- und Lebenswelt gerüstet ist“, so die Initiative D21, ein gemeinnütziges Netzwerk für die Digitale Gesellschaft, bestehend aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. „Gleichzeitig werden Ungleichheiten offengelegt: Wer baut seine Kompetenzen stetig aus, wer droht im digitalen Alltag zurückzufallen?“ Ohne digitale Teilhabe, so der Konsens bei Politik und Wirtschaft, hat man als Individuum in der heutigen Gesellschaft keine Chance mehr.

Die Studie „Digital Skills Gap 2025“

Doch auch wenn alle um den Wert der digitalen Teilhabe wissen: Die Realität legt offen, wie unterschiedlich digitale Kompetenzen in den verschiedenen gesellschaftlichen und demografischen Gruppen ausgeprägt sind. Dazu hat die Initiative D21 mit dem „Digital Skills Gap 2025“ nun eine großangelegte Studie veröffentlicht. Sie untersucht die digitalen Kompetenzen der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren – und das in den fünf offiziellen Kompetenzbereichen des DigComp-Referenzrahmens der EU-Kommission: „Informations- und Datenkompetenz“, „Kommunikation und Kollaboration“, „Gestalten und Erzeugen digitaler Inhalte“, „Sicherheit und Wohlbefinden“ sowie „Problemlösekompetenz“.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Sonderauswertung des „D21-Digital-Index 2024/25“, einer Vermessung digitaler Kompetenzen. Grundlage, so heißt es bei der Initiative, ist ein „bevölkerungsrepräsentativer Datensatz, der im Juli 2024 durch 7.237 Interviews erhoben wurde.“ Die Studie will dabei dezidiert mehr sein als eine Bestandsaufnahme und liefert für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft jede Menge Handlungsimpulse – „um Hürden abzubauen, Lernwege zu öffnen und eine chancengerechte Entwicklung digitaler Kompetenzen zu ermöglichen“, wie es heißt. „Denn digitale Teilhabe ist kein Luxus – sie ist Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.“

Besorgniserregende Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigen, wo es besonders brennt: Insbesondere geringes Einkommen und schwierige Wohnverhältnisse blockieren den Weg zu digitaler Teilhabe. Nur 27 Prozent der Menschen in schwierigen Wohnverhältnissen und 32 Prozent der Einkommensschwachen besitzen digitale Basiskompetenzen. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es immerhin 49 Prozent.

„Der Digital Skills Gap ist kein individuelles Versagen – er ist ein strukturelles Problem“, sagt Lena-Sophie Müller, CEO der Initiative D2. „Wer keinen Laptop hat, das Datenvolumen rationieren muss oder keinen ruhigen Ort zum Lernen findet, bleibt vom digitalen Fortschritt ausgeschlossen – mit gravierenden Folgen für Bildungs- und Beschäftigungschancen und gesellschaftliche Teilhabe.“

Greta Schabram vom Paritätischen Gesamtverband bringt es so auf den Punkt: „Digitale Teilhabe darf kein Privileg sein, sondern muss Teil eines gerechten Sozialstaats werden. Menschen in prekären Lebenssituationen fehlt es oft an zentralen Ressourcen: Geräte, Internetzugang, Zeit, Unterstützung. Selbst geschenkte Technik hilft wenig, wenn das Wissen fehlt, sie zu nutzen.“

Berufseinsteiger und Silver Worker

Darüber hinaus fällt auf: Männer erzielen im Durchschnitt höhere Werte in Sachen Digitalkompetenz und KI-Affinität als Frauen und beherrschen häufiger digitale Basiskompetenzen. Die Unterschiede seien laut Studie jedoch „moderat“. Zudem nimmt die digitale Kompetenz mit zunehmendem Alter ab – aber eben nicht erst im Rentenalter, sondern schon in den späten Berufsjahren. Hier würden viele Arbeitskräfte aufgrund von Desinteresse oder fehlenden Perspektiven auf Fortbildungen verzichten. Das ist eine vertane Chance, weil die sogenannten Silver Worker gerade für überlastete Arbeitskräftepotenziale ein essenzieller Baustein sind. „Wir sollten alles tun, damit sie mit ihrem Erfahrungswissen als kompetente und produktive Fachkräfte bis zur Rente bleiben“, fordert Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21.

Und noch etwas: Die Berufseinsteiger erzielen in der Studie zwar die höchsten Werte; doch auch sie sind weit davon entfernt, KI souverän und reflektiert zu nutzen. Aufbauarbeit muss also überall geleistet werden – am meisten aber in bildungsferneren Gruppen. Der Digital Skills Gap ist somit auch ein Bildungsgap.

Was getan werden muss

Die Initiative D21 ist sich einig: Bildungsoffensiven allein reichen nicht – es braucht sozialpolitische Maßnahmen, die digitale Teilhabe systematisch ermöglichen. „Digitale Kompetenz entscheidet über Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit“, so Lena-Sophie Müller von D21. „Ihre Verteilung ist derzeit alles andere als gerecht. Deshalb braucht es jetzt eine umfassende digitale Kompetenzoffensive, die Lebenslagen, Bildungszugänge und berufliche Realitäten berücksichtigt. Ohne die richtigen strukturellen Bedingungen wird sie ihre Wirkung jedoch nicht entfalten können. Deshalb muss die digitale Grundversorgung zum sozialen Grundrecht werden.“

Und auch wenn Führungskräfte stets mit Vorbild vorangehen und daher auch in Sachen KI und digitalem Wandel geschult werden sollten: Die digitale Transformation kann nicht allein von ihnen zum Erfolg gebracht werden. „Mitarbeitende müssen von Anfang an einbezogen werden“, nickt Marc Reinhardt. „Wenn Unternehmen in neue Lernformate investieren, zum Beispiel in KI-gestützte Lernsysteme oder geschützte Räume zum Ausprobieren, dann steigt die Motivation und der Lernerfolg. Statt sich also vom Fachkräftemangel bremsen zu lassen, können Betriebe ihre eigenen Talente entwickeln und langfristig halten. Nicht zuletzt wirkt Weiterbildung weit über den Arbeitsplatz hinaus: Kompetenzen, die Menschen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erwerben, stärken auch ihre Teilhabe im Alltag, fördern Zukunftsoptimismus und erhöhen die gesellschaftliche Resilienz.“ Und das ist etwas, das uns gewiss nicht schaden kann.

Björn Springorum

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.

Björn Springorum

Freier Journalist und Schriftsteller