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Für mehr Teilhabe: 10 Jahre Netzwerk „Seniorinnen und Senioren im Internet“

Zehn Jahre gelebte digitale Teilhabe: Das Netzwerk „Seniorinnen und Senioren im Internet“ feiert sein starkes Bündnis für digitale Bildung und Teilhabe älterer Menschen. Das ist essenziell für eine homogene Gesellschaft – und bei aller Vernetzung dennoch ausbaufähig.

Lesezeit: 7 Minuten

14.11.2025

Digitale Teilhabe ist Grundrecht

Digitale Souveränität ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Sie gelingt dann am besten, wenn Generationen, Institutionen und Ideen zusammenfinden – wie im Netzwerk „Seniorinnen und Senioren im Internet“. Dieses Bündnis zeigt, dass digitales Lernen keine Frage des Alters ist. Mit Erfolg: Seit 2015 bündelt die Landesanstalt für Kommunikation (LFK) verschiedene Netzwerke und Kompetenzen für mehr digitale Teilhabe im Alter. Das wurde jetzt gefeiert.

Das Netzwerk „Seniorinnen und Senioren im Internet“

Wer sich im digitalen Raum nicht sicher bewegen kann, wird schnell abgehängt. Das betrifft viele Menschen aus allen Altersgruppen und Hintergründen, wie der Digital Skills Gap eindringlich geschildert hat. Insbesondere ältere Menschen sind häufig unsicher im Umgang mit digitalen Medien, haben Scheu vor der Nutzung oder finden die Handhabung zu kompliziert. Das haben in Baden-Württemberg längst verschiedene Initiativen und Institutionen erkannt. Auf Anregung der LFK treffen sich seit 2015 daher verschiedene Institutionen und Organisationen zu einem regelmäßigen Austausch im „Netzwerk Seniorinnen und Senioren im Internet“.

Alle haben eines gemeinsam: Sie wollen verschiedene Aktivitäten zur Stärkung der Medienkompetenz Älterer zu bündeln. Mithilfe des Netzwerks werden Projekte angeschoben, wird ein Beratungsangebot ermöglicht und vor allem auf die Gefahr einer digitalen Spaltung der Gesellschaft hingewiesen. „Als LFK haben wir vor zehn Jahren bewusst entschieden, diese Zielgruppe verstärkt in den Blick zu nehmen“, blickt Thomas Rathgeb, Leiter Abteilung Medienkompetenz, Jugendschutz und Forschung bei der Landesanstalt für Kommunikation auf die Anfänge zurück. „Bevor wir aber einfach ein Projekt ins Leben rufen, wollten wir uns umsehen, welche Institutionen in Baden-Württemberg sich mit dieser Zielgruppe befassen. Wir haben sie alle eingeladen und an einen Tisch gebracht – mit dem spannenden Ergebnis, dass gar nicht alle voneinander wussten.“

Fortan trifft man sich regelmäßig, entwickelt gemeinsam Ideen und konzipierte ein Projekt, das auch vom Bundesforschungsministerium finanziert wurde. „Seither wächst das Netzwerk ständig“, so Rathgeb. Heute gehören zahlreiche Initiativen und Institutionen aus dem ganzen Land zum Netzwerk „Seniorinnen und Senioren im Internet“. Neben neuen Ideen und Projekten stellt das Netzwerk auch Bedarfe fest und vermittelt Ansprechpartner oder Kompetenzen.

Auf Augenhöhe mit der Zielgruppe

Die Welt ist eine komplett andere als noch 2015. Die Digitalisierung hat riesenhafte Sprünge gemacht, neue Technologien wie KI sind dabei, unser Leben radikal zu transformieren. Und auch wenn heute deutlich mehr Menschen über 80 online sind oder digitale Endgeräte nutzen, hat sich an den Grundbedarfen und Hürden in den letzten zehn Jahren gar nicht so viel geändert. „Damals wie heute ist die Nutzung von Gerätschaften ein großes Thema“, sagt Thomas Rathgeb. „Noch immer ist ein zentraler Punkt, dass die Zielgruppe schon bei der Entwicklung neuer Geräte, Apps oder digitaler Formate mitgedacht werden soll.“

Letztlich ist das eine Grundvoraussetzung für digitale Teilhabe: Wenn Medien oder Endgeräte nicht für eine gewisse Zielgruppe mitentwickelt werden, wird sie leichter von der Nutzung ausgeschlossen. Man dürfe also nicht länger über die Köpfe einer Zielgruppe hinweg entscheiden – sondern gezielt auf Augenhöhe mit der Zielgruppe entwickeln. „Der Kreis der Menschen, die keinerlei Kontakt zum Internet haben, wird kleiner und kleiner, aber auch diejenigen, die das Netz nutzen, fühlen sich in vielen Punkten nicht repräsentiert. Sie haben Beratungsbedarf, und das müssen wir ernst nehmen. Wir müssen die Zielgruppe gezielter informieren, weil ältere Menschen nun mal andere Schwerpunkte haben als junge Menschen.“

Gefragt seien hier Angebote, kuratiert für diese und im besten Fall auch unter Mitwirkung dieser Zielgruppe. „Auch wir versuchen, diese Hürden mit verschiedenen Projekten abzubauen“, so Rathgeb. „Sei es unsere Starthilfe-App, die dabei hilft, das eigene Smartphone kennenzulernen, oder Begleitmaterialien für Ehrenamtliche, die älteren Menschen in der digitalen Welt zur Seite stehen. Jede Zielgruppe muss anders an ein Thema herangeführt werden. Diese Feststellung müsste sich noch mehr durchsetzen.“ Denn die Altersgruppe der Senioren ist natürlich alles andere als homogen, weiß Rathgeb: „Es gibt 80-Jährige, die total fit im Umgang mit Social Media oder dem Smartphone sind – und es gibt 60-Jährige, die gar keinen Zugang zum Internet haben. Je differenzierter unsere Angebote, desto wirksamer können wir arbeiten.“

Für eine offene Gesellschaft ist das wichtig. Die digitale Transformation kann nur gelingen, wenn niemand abgehängt wird. Und schon gar nicht ein Fünftel der Bevölkerung. „Die meisten Senioren fühlen sich sehr fit und wollen nicht als Problemgruppe abgestempelt werden. Sie wollen nur gesehen werden. Diese Menschen brauchen einen anderen Zugang zu digitalen Themen wie Jugendliche oder junge Erwachsene. Und ein kleines bisschen mehr Geduld.“

Die größten Hürden der Silver Surfer

Das Internet kann ein undurchsichtiger, schlimmstenfalls gefährlicher Ort sein. Betrüger, Phishing-Angriffe, Datenraub können überall lauern. Das schreckt immer noch viele ältere Menschen ab – sie haben schlichtweg Angst, etwas falsch zu machen. Dann ist da natürlich auch die technische Seite. Man traut sich nicht zu, ein Gerät zu bedienen, oder findet die Bedienung eines vorhandenen Geräts schlichtweg zu kompliziert. Auch finanzielle Gründe gibt es, weshalb ältere Menschen nicht digital unterwegs sind.

Thomas Rathgeb sieht aber vor allem eine Problematik: „Viele ältere Nutzer wissen gar nicht, was das Internet alles zu bieten hat und machen sich dann gar nicht erst die Mühe“, sagt er. „Weil sie niemanden haben, der ihnen zeigt, was alles möglich ist. Der ihnen hilft, die digitale Welt kennenzulernen.“ Es ist gar nicht nötig, das Internet in all seiner unerschöpflichen Breite zu erkunden. Sondern den Menschen ein oder zwei gute Gründe für die Nutzung zu nennen. „Das kann Kommunikation mit der Familie sein, es können aber auch Musik oder Filme sein. Oder der Austausch mit Gleichgesinnten zu einem bestimmten Thema.“ Ist diese Motivation gegeben, so Rathgeb, würde viele ältere Menschen auch diese letzte Hürde nehmen.

Die Zukunft des Netzwerks

Zehn Jahre nach Gründung des Netzwerks ist Thomas Rathgeb zufrieden mit dem Erreichten. „Wir haben eine schöne Landschaft in Baden-Württemberg, in der die verschiedensten Institutionen zu diesem Thema zusammenarbeiten“, resümiert er. „Natürlich sind wir eine kleine Truppe, die noch dazu irgendwo zwischen Bildung, Gesundheit und Soziales angesiedelt ist, was die Frage der Zuständigkeit nicht immer ganz einfach macht. Daher ist es wichtig, dass wir regelmäßig darüber sprechen und entscheiden, wo wir welches Thema andocken.“

Seit 2015 konnten aus dem Netzwerk heraus zahlreiche Projekte beantragt werden, die bundesweit Beachtung finden – „und das in den unterschiedlichsten Konstellationen“, wie Thomas Rathgeb anmerkt. Für die erfolgreiche Zukunft des Netzwerks würde er sich daher vor allem eines wünschen: „Eine längerfristige Finanzierung für unsere Projekte.“ Als Netzwerk versuche man eh immer schon, ressourcenschonend und kostensparend zu arbeiten und bestehende Strukturen von Institutionen und Initiativen vor Ort zu nutzen. „Doch auch hier ist die Finanzierung von Materialien, Reisekosten oder Honoraren oftmals ein springender Punkt.“ Und doch ein zentraler. Digitalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Für die wir alle an einem Strang ziehen sollten. Und bei der wir niemanden zurücklassen dürfen. „Das“, so ist sich Thomas Rathgeb sicher, „kann nicht über befristete Projekte geleistet werden.“

Björn Springorum

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.

Björn Springorum

Freier Journalist und Schriftsteller