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Manosphere: Social Media als Nährboden für Frauenhass

Einfach nur Machos – oder doch gefährliche Influencer? Auf TikTok, YouTube und anderen Netzwerken erreichen frauenfeindliche Clips Millionen User. Die sogenannte „Manosphere“ propagiert männliche Überlegenheit – und beeinflusst gezielt männliche Jugendliche.

Mann im Sportoutfit flext seinen Arm in seine Handykamera

01.10.2025

Was ist die Manosphere?

Die sogenannte Manosphere ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl an Online-Communitys, Blogs, Netzwerken oder Foren, in denen die User „gezielt antifeministische und frauenfeindliche Ansichten verbreiten“. Die Themenpalette ist dabei ebenso breit wie bedenklich. Da geht es um Coachings für mehr Männlichkeit, Fitness und Selbstoptimierung, aber eben immer wieder auch um Fantasien männlicher Vorherrschaft und unverschleierten, beängstigenden Frauenhass. Über einen Kamm scheren kann man diese Bewegung also nicht und muss streng unterscheiden, weil die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Absichten haben.

Männlichkeits-Influencer wie Andrew Tate oder Karl Ess tarnen Frauenhass hinter Fitness-Tipps, misogyne Männerrechtsaktivisten sagen dem Feminismus offen den Kampf an, sogenannte „Pick-up-Artists“ geben manipulative Tipps, wie man Frauen vermeintlich besser herumbekommt und Incels, also unfreiwillig zölibatär lebende Männer, werten Frauen ab. Die Manosphere ist daher „ein Sammelbecken für antifeministische Narrative, die sich rasant über soziale Medien verbreiten. […] Gemeinsam ist ihnen die grundsätzliche Ablehnung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.“

Was verursacht diesen Hass?

So unterschiedlich die Manosphere auch ist: Einigkeit herrscht in der verzerrten Annahme, „die moderne Gesellschaft sei gegen Männer eingestellt, würde Männer benachteiligen“, sagt Politikwissenschaftler Dominik Hammer vom Institute for Strategic Dialoge (ISD). Er hat beim Projekt „Mapping the Germanosphere“ extremen Frauenhass im deutschsprachigen Internet analysiert. Diese Männer, so seine Einschätzung, machen Frauen für all das verantwortlich, was ihrer Meinung nach schiefläuft in der Gesellschaft.

Diese besorgniserregende (und unbegründete) männliche Wut ließe sich daher begründen, dass sie die Macht über Frauen verlieren. So zumindest bringt es Autorin und Content-Creatorin Louise Wittwer auf den Punkt. „Nach diesem traditionellen Weltbild wird die Frau vom Mann aktiv gewählt. Das ist eins der Wunschmotive der Alpha-Männer. Doch die Realität hier ist eine andere: Inzwischen kann die Frau meist selber entscheiden, wen sie wählt oder ob sie auch gar keinen wählt oder eine Frau wählt oder alleine bleibt und vielleicht ganz glücklich ist mit 30 Jahren und drei Katzen.“

Zudem hat sich das klassische Männlichkeitsbild in den vergangenen Jahren drastisch geändert. Mehr und mehr setzt sich durch, dass Männer nicht stark sein müssen, nicht Beschützer und Ernährer. Das kann auf viele Männer verunsichernd wirken und äußert sich gern in Boomer-Sprüchen wie „Man darf ja gar nichts mehr sagen“.

Die größte Gefahr der Manosphere

Was zunächst nach einer kleinen Nische im Netz klingt, hat längst besorgniserregende Formen angenommen. Toxische Männlichkeitsideale werden millionenfach gestreamt und geteilt. Sie zielen insbesondere auf Jugendliche und junge Erwachsene ab und verbreiten sich auf TikTok oder YouTube rasant. Junge Männer sind weit weniger gefestigt in ihren Standpunkten und laufen Gefahr, den vermeintlich einfachen Schlussfolgerungen der Manosphere-Influencer auf den Leim zu gehen. „Social Media formt eine neue Welle von frauenfeindlichen Narrativen, die für gesellschaftlichen Sprengstoff sorgen können“, sagt Rayna Breuer dazu. Nicht ganz zufällig sind Teile der Manosphere auch im rechtsradikalen Lager anzusiedeln, wo seit jeher das konservative Bild von der unterwürfigen Frau propagiert wird.

Für die rasend schnelle Verbreitung auf Social Media sorgt der Algorithmus von ganz allein: Inhalte der Manosphere gelangen immer wieder auch zu denjenigen, die gar nicht bewusst danach suchen. Wer einmal ein entsprechendes Video angeschaut habe, wenn auch nur zufällig oder unbeabsichtigt, bekommt immer mehr davon angezeigt. Und das kann eine schleichende Radikalisierung mit sich bringen. „Da die meisten Videos nicht offen zu Gewalt aufrufen, sondern ihre frauenfeindlichen Botschaften hinter Witzen, ‚Dating‘-Tipps oder persönlichen Anekdoten verstecken, verstoßen sie zudem nicht direkt gegen die TikTok-Richtlinien. Daher bleiben die Videos online und können viele Millionen junger User erreichen“, heißt es bei Schau hin.

Und auch wenn es noch keine oder nur sehr wenige brauchbare Zahlen zur Manosphere-Szene gibt: Die Zahl der Straftaten gegen Frauen im digitalen Raum – Hetze, Drohungen, Belästigungen – nimmt zu. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete im Jahr 2023 einen Anstieg um 25 Prozent (17.200 weibliche Opfer) im Vergleich zum Vorjahr.

Die Zeichen erkennen

Spätestens der Netflix-Erfolg „Adolescence“ hat den Begriff der Manosphere verbreitet. In der Serie wird auch deutlich, wie sich die Bewegung mithilfe einer verschlüsselten Sprache verständigt. Das sind etwa Begriffe wie „Red Pill“ (die rote Pille aus dem Film „Matrix“, ein Symbol für die Wahrheit) und das dazugehörige Emoji. Auch das rote 100-Emoji gehört dazu. Es steht für die
80/20-Regel, die besagen soll, dass nur 20 Prozent der Männer für 80 Prozent der Frauen attraktiv sind, was wiederum als Legitimation für Frauenhass genutzt wird.

Um erfolgreiche Prävention zu betreiben, ist daher besonders Aufklärung wichtig. Insbesondere jungen Männern muss verdeutlicht werden, dass es bis heute keine Gleichberechtigung von Männern und Frauen gibt, dass der Gender-Pay-Gap Fakt ist und Frauen für vieles immer noch mehr kämpfen müssen als Männer. Gleichberechtigung bedeutet eben nicht den Verlust von Männlichkeit, sondern einen Zugewinn an Freiheiten. Und das eben für Frauen und Männer.

Die Webseiten juuuport.de und klicksafe.dehttp://klicksafe.de sind gute Anlaufstellen für weitere Informationen und Recherche.

Björn Springorum

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.

Björn Springorum

Freier Journalist und Schriftsteller